Holzbildhauerei

Holzbildhauerei
Họlz|bild|hau|e|rei 〈f. 18; unz.〉 = Bildschnitzerei

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Họlz|bild|hau|e|rei, die:
1. <o. Pl.> Bildschnitzerkunst, -tätigkeit.
2. Bildschnitzerwerkstatt.
3. Erzeugnis des Bildschnitzers.

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Holzbildhauerei,
 
Holzschnitzerei, die Kunst, aus Holz vollplastische Figuren, Figurengruppen und Reliefs herauszuhauen oder ornamentales Zierwerk sowie kleinere Plastiken herauszuschnitzen. Dazu wird der in eine Schnitzbank eingespannte Holzblock (heute oft aus geleimtem Holz) mit Meißel, Klöppel, Flach- und Hohleisen bearbeitet. Die Einzelheiten werden mit feineren Schnitzeisen ausgeführt und mit Messern, Raspeln und Glaspapier geglättet. Angesetzt wird in der Regel nur das über die Blockgrenzen Hinausreichende (z. B. die Hände). Bei den aus dem Stamm geschnittenen Figuren muss das Kernholz beseitigt sein, um Risse zu vermeiden. Weichholzfiguren werden meist gefasst (Fassung). - Bildschnitzer und Schreiner gehörten im Mittelalter verschiedenen Zünften an.
 
Als Material wurden in der Regel einheimische Hölzer verwendet: in Norddeutschland und Skandinavien v. a. Eichenholz, in Süddeutschland, wo dieses dem figürlichen Schmuck von Schreinerarbeiten vorbehalten blieb, im Allgemeinen Lindenholz, in den Alpenländern auch Zirbelholz. Obstbaum- und besonders das harte Buchsbaumholz wurden v. a. für Kleinplastiken und Bozzetti verwendet.
 
 Vor- und Frühgeschichte, Hochkulturen des Mittelmeerraums
 
Holz ist neben Bein (Mammut) und Ton vermutlich der Werkstoff für die frühesten plastischen Arbeiten, Brett- oder figürlich stärker ausgearbeitete Idole und Kultbilder aus Holz sind in waldreichen Gebieten, zu denen auch der Mittelmeerraum gehörte, in der Regel anzunehmen, aber nur gelegentlich erhalten (z. B. italische Kunst). Für das frühe Griechentum ist außer der Herme auch die Existenz anderer pfahl- oder brettartiger Kultbilder wahrscheinlich. Die Oberflächenbehandlung dädalischer Bildwerke lässt auf eine hoch entwickelte archaische Holzbildhauerei schließen. Eine Fülle an Holzskulptur ist aus Ägypten erhalten. Am Beginn steht das Holzrelief des Hesire aus der 3. Dynastie (um 2600 v. Chr.), das ebenso wie die Holzfiguren aus dem Grab des Kaaper aus der 5. Dynastie (um 2400) in Sakkara gefunden wurde. Die stuckierten und bemalten Holzfiguren aus einem Felsgrab bei Mer (5./6. Dynastie) sind zum Teil aus einem einzigen Holzklotz hergestellt. Gegen Ende der 6. Dynastie finden sich einzelne Dienerfiguren aus Holz als Grabbeigaben, dann zu Beginn des Mittleren Reichs Holzmodelle mit zahlreichen Dienerfiguren (Schiffe mit Besatzung, Werkstätten mit Handwerkern, Truppen bei der Parade). Daneben werden weiterhin Vornehme sowie - wohl für Tempel - Herrscherfiguren (Sesostris I.) in Holz gehauen, stuckiert und bemalt oder vergoldet.
 
 Europäische Holzbildhauerei
 
In Europa sind an italienischen Kirchenportalen (z. B. Sant'Ambrogio in Mailand, spätes 4. Jahrhundert) die frühesten Holzreliefs erhalten. Seit ottonischer Zeit wurden Kultbilder aus Holz geschaffen: monumentale Kruzifixe wie das Gerokreuz im Kölner Dom (um 970) und Madonnenfiguren wie die mit Goldblech beschlagene Goldene Madonna des Essener Münsterschatzes (um 980). Im 14. Jahrhundert entstanden im Rahmen der Andachtsbilder die Christus-Johannes-Gruppen und Vesperbilder. Höhepunkte der mittelalterlichen Holzbildhauerei sind die Schnitzaltäre (u. a. von T. Riemenschneider, V. Stoss, M. Pacher, H. Leinberger, N. Hagnower, H. Brüggemann und C. Berg) und Chorgestühle (H. Syrlin der Ältere). Seit dem Ausgang des Mittelalters verzichteten die Künstler als Folge eines gewandelten Kunstverständnisses verschiedentlich auf die farbige Fassung (Riemenschneider). Mit Beginn der Renaissance konzentrierte sich die Holzbildhauerei großenteils auf profane Gegenstände (geschnitzte Truhen, v. a. in Italien und Frankreich), die Raumausschmückung (besonders die mit reichen Schnitzereien versehenen Wandverkleidungen der Tudorzeit und die Kunst des Artesonado auf der Iberischen Halbinsel) sowie auf die Kleinplastik. Im Barock entstanden wieder hervorragende Großplastiken, ausgeführt von Meistern wie G. Petel, B. Permoser, I. Günther und J. A. Feuchtmayer. Eine Eigenentwicklung der Holzbildhauerei zeigt die sakrale Kunst Portugals im 18. Jahrhundert: Wände, Decken, Altäre und Retabeln werden mit üppigem, vergoldetem Holzschnitzwerk (Talha dourada) überzogen. Im 19. Jahrhundert bricht die Entwicklung ab, jedoch wurde die Holzbildhauerei im 20. Jahrhundert auf verschiedene Weise wieder aufgegriffen (u. a. E. L. Kirchner, E. Barlach, E. Mataré, H. Arp, K. Schmidt-Rottluff, W. Arnold, C. Brancusi, P. Picasso, M. Marini, H. Moore, Barbara Hepworth, L. Nevelson, V. Pasmore).
 
 Außereuropäische Kulturen
 
In der islamischen Kunst wurde seit omaijad. bis in seldschukische Zeit der Dekorstil vielfach auch auf Holz geschnitzt. Ein kostbarer Minbar (Kanzel) aus Holz mit feinster Flecht- und Bandwerk-, Knoten- und Gitterschnitzerei aus dem 9. Jahrhundert befindet sich in der Großen Moschee Sidi Okba in Kairouan. Holzschnitzereien im abbasidischen Samarrastil mit Schrägschnitt wurden in Ägypten seit dem Ende des 11. Jahrhunderts aufgegriffen und im 12. Jahrhundert in Kassetten gegliedert; erhalten sind in Kairo geschnitzte Kanzeln, Mihrabs, Kenotaphe sowie Zierbretter für Privathäuser, auch ein Türfragment in Palermo. Aus dem 13. Jahrhundert aus seldschukischer Zeit stammen u. a. Türen (Museen von Istanbul und Ankara), Minbars (Aleppo, Konya) und Mihrabs (Konya), die mit reichem Schnitzdekor verziert sind.
 
Die skulptierten Steinzäune und -tore der buddhistischen Stupas von Bharhut und Sanchi vermitteln Einblick in die traditionelle Holzbildhauerei Indiens. Reste geschnitzter Türrahmung und Architrave des 7. Jahrhunderts sind am Uttareshvara-Tempel von Ter, Dekhan, erhalten. Zahlreich überliefert sind geschnitzte Buchdeckel buddhistischer Manuskripte (Nepal, Tibet), Paneele und Figuren hölzerner Prozessionswagen (Nepal, Südindien) und kunsthandwerkliche Objekte der letzten Jahrhunderte (z. B. Kassettentüren, Gujarat; Paravents, Rajasthan). Eine Fortsetzung europäischer Holzbildhauerei stellen die seit der Ankunft der Portugiesen in Goa gefertigten Bildwerke christlicher Heiliger und die in barocker Manier ornamentierten Holzpaneele der Kirchen dar.
 
Zu den frühesten Werken der Holzbildhauerei Chinas zählen die bei Changsha (Provinz Hunan) ausgegrabenen, aus einem Block geschnitzten Grabfiguren (3. Jahrhundert v. Chr.), die zum Teil in kostbare Seidengewänder eingekleidet waren und den Verstorbenen ins Jenseits begleiten sollten. Jedoch waren sie weit weniger verbreitet als die tönernen Grabfiguren (Tonplastik). Von der buddhistischen Holzbildhauerei der klassischen Periode der Songdynastie ist in China wenig erhalten; repräsentativ sind monumentale stehende oder in lässiger Haltung sitzende Bodhisattva-Figuren, die über einer Kalkgrundierung farbig gefasst waren. Neben Jade, Elfenbein und Horn stellte Holz ein wichtiges Material zur Herstellung von Kleinplastiken dar (Figuren des taoistischen und buddhistischen Pantheons, historische Persönlichkeiten; Tierfigürchen, Amulette u. a.), die seit dem 18. Jahrhundert verstärkt für den Export nach Europa produziert wurden. Auch in der Baudekoration (Dekor von Säulen und Traufgebälk, Relieffriese, Ornamentfenster u. a.) fand die Holzbildhauerei vielfältige Anwendung.
 
In Japan war aufgrund seines Waldreichtums Holz ein beliebtes Material der Bildhauer und Kunsthandwerker. Buddhistische Gottheiten wurden seit dem 8. Jh aus einem massiven Holzblock mit drapiertem Gewand herausgearbeitet (Ichiboku-Technik); seit dem 11. Jahrhundert entstanden aus mehreren Teilen zusammengesetzte Holzplastiken (Yosegi-Technik). Weiterhin wurden in Holz shintoistische Götterfiguren in einfacher Gewandung und Porträtplastiken von Priestern, aber auch weltlichen Personen gearbeitet. Masken entstanden meist in Yosegi-Technik, auch Netsuke wurden aus Holz geschnitzt. Als Bauschmuck wurden Reliefs über Schiebetüren (Ramma) und an Portalen mit Blumen- und Tierdarstellungen angebracht (Nijō-Palast in Kyōto, Nikkō-Mausoleum). - Die Materialien der japanischen Holzbildwerke waren Kampfer (Kusunoki), japanische Zypresse (Hinoki), Kirsche oder Nusseibe, die in der Regel farbig gefasst oder vergoldet wurden.
 
Die Gemeinschaftshäuser (aus Holz) der Minangkabau (Sumatra), die Reisspeicher und Wohnhäuser der Toraja (Celebes) sowie die der Batak (Nordsumatra) sind vollständig mit polychromen Schnitzarbeiten überzogen. Erwähnenswert sind auch die kunstvoll skulpturierten Kultgegenstände, Masken (Wayang) und Skulpturen des indonesischen Inselreiches.
 
In Ozeanien ist neben den symbolischen Dekorationen der Wohn-, Vorrats- und Kulthäuser v. a. die aus einem Kernholz (gegebenenfalls unter Einbeziehung der weitläufigen Brettwurzeln) gearbeitete Einzelplastik von überragender Bedeutung. In Neuguinea stellt sie häufig wie bei den Asmat, die aus kulturellen Gründen die Holzbildhauerei besonders pflegen, menschliche Figuren dar. Äußerst kunstvoll sind auch die Zeremonienstühle der Iatmül und die Geisterfiguren der Abelam. Zusammengesetzte Figuren wie der Korwar (Totenschädel auf hölzerner Figur) oder ganze Bildwerke wie die Malanggane Melanesiens sind selten. Berühmt ist auch die Holzbildhauerei der Maori.
 
In Afrika ist die Holzbildhauerei die bei weitem wichtigste Form des Kunstschaffens und wird von fast allen künstlerisch tätigen Volksgruppen ausgeübt, besonders bei den Feldbauern von Sierra Leone im Nordwesten bis Madagaskar im Südosten. Holzbildhauer sind häufig die Schmiede, da sie in vielen Gesellschaften wegen ihres Umgangs mit dem Feuer eine Sonderstellung einnehmen. Bei den Lobi muss jeder Mann als Holzbildhauer tätig sein, wenn er von außerirdischen Wesen den Auftrag hierzu erhält. - Eine große Anzahl von Holzsorten wird für die Holzbildhauerei verwendet und häufig unter rituellen Handlungen ausgesucht: von sehr weichem (oft für Masken) bis zum »Eisenholz«, das dem Termitenfraß länger standhält und deshalb meist zum Herstellen von Figuren dient.
 
Zu den aus präkolumbischer Zeit im mesoamerikanischen Raum erhaltenen Holzarbeiten gehören die geschnitzten Türstürze der Maya mit Hieroglypheninschriften (in Tikal) und die aztekischen Zungentrommeln. Aus dem andinen Bereich, v. a. aus der Inkazeit, stammen geschnitzte Becher (Keru), Plastiken aus der späten Mochekultur sowie in Gräbern der Küstenkulturen (z. B. in Ica) gefundene, kunstvoll geschnitzte Ruder und Kielschwerter. - In Nordamerika sind Beispiele der Holzbildhauerei die Arbeiten der Nordwestküstenindianer (u. a. der Haida), im Südwesten die Kachina-Puppen der Hopi und die monumentalen Götterfiguren der Zuni, im Osten die Masken der Irokesen sowie die der Eskimo in Südalaska.
 
 
J. C. Rich: Sculpture in wood (Neuausg. New York 1977);
 H. Schindler: Der Schnitzaltar (1978);
 M. Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer (a. d. Engl., 1984);
 Die Holzskulpturen des MA., bearb. v. U. Bergmann, Ausst.-Kat. Schnütgen-Museum Köln (1989).

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Họlz|bild|hau|e|rei, die: 1. <o. Pl.> Bildschnitzerkunst, -tätigkeit. 2. Bildschnitzerwerkstatt. 3. Erzeugnis des Bildschnitzers.

Universal-Lexikon. 2012.

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